• Ergüsse eine Feingeistes


    6 Potsdam am Rande der Welt

    Also lieber doch nach Berlin. Ich will eine Fahrkarte an der Schalterbude kaufen, den die Bundesbahn Reise-Center nennt. Die Schlange ist endlos. Gibt es hier keinen Sonderschalter für Amex-Kunden? Die Beamtin am Schalter ist völlig überfordert, vor ihr stehen zwei Reihenhaus-Familien, die offenbar ihren Golf Kombi zu Hause lassen wollen. Plan-, Spar-, Family-, Mitfahrertarif? Mit oder ohne Bahncard, und wenn mit, mit welcher? Solche Fragen entscheiden hier über das Schicksal zweier Familien. Und über das der wartenden Masse dahinter. Nicht mit mir, Billets gibt es ja auch im Zug. Im Weggehen höre ich noch einen der Väter sagen, bei diesen Preisen sollte man doch lieber Auto fahren.


    Hoffnungsvoll werfe ich einen Blick auf den Abfahrtsplan. Der ICE nach Berlin heißt Röntgen. Hieß so nicht auch der, der in Eschede...? Egal, ist eh vor drei Minuten weg. Der nächste Zug ist ein Interregio auf Gleis sechs in dreizehn Minuten. Ich gehe hinauf zum Gleis. Kalter Wind fegt die ausgetretenen Zigarettenkippen über den Bahnsteig. Vom nächsten Bahnsteig höre ich die Durchsage: "Einfahrt erhält der verspätete Intercity-Express Wilhelm-Konrad Röntgen nach Berlin-Ostbahnhof..."


    Egal, denke ich, und setze mich auf eines der Drahtkorbdinger, die die Deutsche Bundesbahn hier für ihre untertänige Kundschaft als Sitzgelegenheiten anbietet. "Welcome to the Expo-City Hanover", erzählen die Lautsprecher am Gleis nebenan wie von besseren Zeiten. Zigaretten verkürzen meine Wartezeit. Der Zug ist fast pünktlich, ich steige ein und kämpfe mich durch und ergattere einen Klappsessel am Gang im Raucher-Großraumwagen. Die Luft ist zum Schneiden, denke ich, als der Zug sich in Bewegung setzt. Durch die dicken Rauchschwaden erkenne ich einige Soldaten, offenbar Wehrdienstleistende, mit Bierdosen. Sie grölen unverständliches Zeug, rauchen und trinken. Nach einer Weile steht einer auf, "ich muss mal", sagt er zu seinen Kameraden wie ein Kleinkind zur Mami und pisst mitten zwischen die Sitzreihen. Die anderen applaudieren ihm dafür, ich gehe. Ein paar Wagen weiter ist die erste Klasse, ich setze mich in ein leeres Abteil, ziehe die Vorhänge zu und lege die Füße hoch, um etwas zu schlafen.


    Im Halbschlaf spüre ich das Rumpeln des Zuges, zwischendurch öffne ich die Augen zum Blinzeln und sehe Landschaften vorbeiziehen. Der Zug hält in Stendhal und Magdeburg. Oder war es Halberstadt? Verdammt, deutsche Geografie hatte ich lange vor der Maueröffnung, diese ganzen ostzonalen Städte kann sich doch keiner mehr merken. Oder Eisenhüttenstadt?


    Der Zug hält wieder, Potsdam Hauptbahnhof steht auf diesem modernistisch blau umrahmten Schild. Warum nicht, Berlin kenne ich schon, und nachdem Hannover eine royalistische Enttäuschung war, ist Potsdam vielleicht eine Entschädigung. Außerdem kann man hier vielleicht noch etwas Aufbruchstimmung fühlen; Menschen erleben, die Ziele haben und Veränderung wollen. Ich reibe mir den Schlaf aus den Augenwinkeln und springe mit dem Trillerpfiff des Schaffners im letzten Moment aus dem Zug.


    Ich hatte ein altes, leicht verschlafenes und wunderschönes Bahnhofsgebäude erwartet. Stattdessen stehe ich in einem Einkaufszentrum mit Multiplexkino, Rossmann und Mediamarkt, in dem wie zufällig auch Züge fahren. Ich setze mich in einen Sandwichladen, bestelle mir eins mit Truthahn und Käse, mit Gurken und scharfer Soße aber ohne Zwiebeln, und beobachte die Leute. Nach einer Weile erschreckt mich die Uniformität der Leute. Jugendliche haben eine Nazibomberjacke an, Midlife-Männer alle eine schwarze Kunstlederjacke und ältere Männer haben alle die gleichen Mützen auf.


    Ich frage einen Bahnbeamten nach der Innenstadt, wo man etwas flanieren könnte. Draußen ist der Wind noch kälter als in Hannover, man fühlt den Ostwind aus Moskau. Immerhin scheint die Sonne. In die Innenstadt sind es ein paar Minuten Fußmarsch, die frische Luft befreit meinen Kopf etwas. Ich erreiche die Fußgängerzone. Ein Billigtextilladen, eine Dönerbude, ein Eiscafé, ein Neunundneunzigcentladen. Ich sehe in die Gesichter der Menschen, Mundwinkel unten, kein Optimismus, die ganze Stimmung ist bedrückend.


    Autsch. Als ich gerade um die Ecke biegen will, um eine Seitenstraße zu erkunden, stoße ich mit einem Fußgänger zusammen. Ich habe lange mit niemandem mehr gesprochen und tue das auch prinzipiell ungern, aber irgendwie interessiert es mich doch. "Sind sie von hier" frage ich, und ohne das "ja" abzuwarten frage ich, ob es irgendwo auch sehenswerte Geschäfte gibt. Er hält mir einen langen Vortrag über die Stadtentwicklung, von dem ich nicht viel verstanden habe, außer dass es eben nicht gut aussieht mit der Innenstadt. Er sei im Stadtrat, erläutert er seine Sachkunde. Für welche Partei denn, frage ich. Na ja, sagt er leise und verschämt, für die FDP. Er sei der einzige FDPist im Stadtrat; Potsdam ist eben kein gutes Pflaster für Liberale, fügt er an. Was er beruflich macht, will ich wissen. "Arbeitslos", sagt er, "aber ich mache mich selbständig". Aha, denke ich, in der Ost-FDP sind also die selbständigen Arbeitslosen, bedanke mich für das Gespräch und gehe weiter.


    Mir ist schlecht, die scharfe Soße scheint mir nicht zu bekommen. Ich gehe in ein Café, will einen Tee trinken. Das Café ist dann doch, wie ich mir Potsdam vorstelle: Plüschig, altmodisch, eben kaiserlich. Ich setze mich an einen kleinen runden Tisch, bestelle meinen Tee und sehe mich um. Der Mann zwei Tische weiter sieht aus wie Wolfgang Joop, am Tisch daneben sitzt auch einer, vielleicht Student, der etwas schwul aussieht und seine Davidhoff-Zigarette heiß raucht. Zwei alte Frauen mit typischen Strickmützen sitzen beim Kuchen. Ich trinke meinen Tee.


    Ich beschließe, zurück zum Bahnhof zu gehen. Auf dem Rückweg werde ich fast depressiv. Die Stimmung ist bedrückend. Selbst bei strömendem Regen steht den Menschen im Westen mehr Freude und Optimismus ins Gesicht geschrieben als hier bei Sonnenschein. Ich sehe nicht mehr in die Gesichter, das hilft. Ein wenig kaiserlich war es ja, Potsdam, aber Ziele, Veränderung, Aufbruch habe ich vergeblich gesucht. Vielleicht war es gar nicht die Soße, sondern die Stimmung, die mir den Magen umdrehte. Mit sturem Geradeausblick erreiche ich den Bahnsteigabteilung im Einkaufszentrum und setze mich in eine S-Bahn Richtung Berlin, vorbei an Babelsberg, einigen Kleingärten - in einem weht eine DDR-Fahne, Wannsee. [© Dennis Jlussi]

    Was bin ich froh , daß ich den Typen RL nicht kenne...

    Solange es noch lebende Grüne gibt braucht man keine Tierversuche.

    Einmal editiert, zuletzt von Lady Enigma ()

  • Liebe Nr.2, bei Absatz 5, hatte ich schon Ihr Entlassungsschreiben in der Hand. Hat sich ja dann alles aufgeklärt. Schreiben Sie das nächste Mal eher, daß es sich um ein Zitat handelt und ersparen Sie mir Placebo-RL-Herzattacken.


  • Der Typ hat wirklich zu wenig Gehirnschmalz. Manche sehen auch nur das, was sehen wollen. Er ist als vom Bahnhof zu einem Cafe gelaufen und zum Bahnhof zurück und weiß danach schon wie die Ossis ticken? Toller Typ.

    [CENTER]vEXPO 2006 in der DUR
    02.12. -08.12.06
    [/CENTER]
    [CENTER][/CENTER]

  • Zitat

    Original von Nr.1
    Liebe Nr.2, bei Absatz 5, hatte ich schon Ihr Entlassungsschreiben in der Hand. Hat sich ja dann alles aufgeklärt. Schreiben Sie das nächste Mal eher, daß es sich um ein Zitat handelt und ersparen Sie mir Placebo-RL-Herzattacken.


    Aber so haben Sie das vorurteilsfrei gelesen.Das Missfallen ist also echt.

  • Tz, wer mal wirklich in Potsdam war, dem würde auffallen, wie sauber und schön die Stadt ist. Zudem hat sie wirklich Geld, was sie auch einsetzt. Was für ein Idiot.

  • Der Text liest sich wirklich wie von einem "wessi" verfasst,welcher noch nie in Ostdeutschland war.


    Hört sich an wie für eine Comedysendung, bei der mal eben alle Vorurteile gegenüber "ossis" durchgegangen werden.


    Wenn man nun in diesen Text Potsdam durch Wuppertal ersetzt dann erreicht man genau das gleiche.


    Falls jemand von euch Wuppertal kennen sollte, ist diese Stadt mit der Weltberühmten Schwebebahn.


    Auch da kann man Männer mit Bomberjacken antreffen (wo eigendlich nicht ?)


    Zitat

    man fühlt den Ostwind aus Moskau


    HaHaHa...der Ostwind aus Moskau....Spielen wir wieder mit Kalter Krieg Vorurteile ???


    Dann fahr im sommer nach Potsdam.


    Als ob im Westen immer die Sonne schein.


    Welche Aufbruchsstimmung ???


    Keine Ahnung von wann der Text ist,aber die Aufbruchsstimmung hält auch nicht 15 Jahre.


    Oder freuen sich Fußballklubs 20 Jahre nach dem Aufstieg immer noch über den damaligen Erfolg, bzw Veränderung.


    Die Welt geht weiter.


    Wo sind die Versprochenen Blühenden Landschaften ???


    Hoyerswerda hat gebrannt und der Westen hat den Osten aufgekauft ,böse gesagt.


    Als ob da jemand ist der noch in Aufbruchsstimmung ist.


    Es ist nichts besser geworden,ausser das man nun Produkte kaufen darf, für welche kein Geld durch Arbeitslosigkeit mehr da ist.


    Nun,was solls ich verrenne mich in ein Thema,was mir eigendlich egal sein kann.


    Aber so ist das mit der Politik.


    "Ich war im Osten ,ich weiß was da los ist."


    Einmal drübergucken und dann die Menschen verstehen wollen.

  • Also zumindest das mit den blühende Landschaften sitmmt.
    Wenn ich nur an das Wälzlagerwerk denke, früher grau und staubig.Aber was meinen Sie, wie schön grün das jetzt dort ist.

  • Zitat

    Original von Ghandil Wao Van'hia
    Würde gerne wissen, von welchem Jahr dieser Text ist.


    Das zitierte Unglück von Eschede war im Sommer 1998. Die Deutsche Bundesbahn die hier immer wieder zitiert wird existierte zu diesem Zeitpunkt allerdinsg schon seit geraumer Zeit nicht mehr; es gab auch keine Schalterbeamten mehr...

  • Um noch mal kurz auf die rechtliche Situation zurückzukommen und auf die Frage nach dem Copyright: Die Wikipedia liefert da eine kurze Einführung. In Deutschland gilt aber das Urheberrecht, das dem Urheber eines Werkes erheblich mehr Rechte einräumt.


    Es ist aber fraglich, ob das in diesem Fall überhaupt Anwendung finden kann: Vom Urheberrecht geschützt sind lediglich Werke, die eine gewisse Schöpfungshöhe erfordern. Bei einem solch kurzen Wort wie "Ratelon" ist davon aber nicht unbegingt auszugehen - damit gibt es kein Urheberrecht.


    Solche Bezeichnungen werden üblicherweise durch Marken geschützt - also genau das, was Dennis Jlussi getan hat. Unter Umständen haben die Betreiber der Simulation ein (älteres und damit vorrangiges) Namensrecht, da "Ratelon" ja die Bezeichnung für ihre Simulation ist/war. Das wird aber am Ende ein Gericht entscheiden müssen.


    Noch zu den Behauptungen, die Rateloner hätten nur rechtzeitig Widerspruch gegen die Eintragung der Marke einlegen müssen: Das ist falsch. Widerspruch beim Deutschen Marken- und Patentamt kann nur ein Inhaber einer älteren Marke einlegen. Das trifft hier aber nicht zu. Möglich ist nur ein Löschungsantrag oder eine Klage vor einem Zivilgericht. Nähere Informationen dazu bietet das Deutsche Patent- und Markenamt. Beides ist möglich, solange die Marke besteht, kostet aber (wobei die Kosten bei einer erfolgreichen Klage u. U. vom Beklagten getragen werden müssen).


    Für alle Aussagen gilt: Ich bin kein Jurist, nur interessierter Laie :D

  • Das Copyright kann natürlich jeder einfügen. Jedoch muss das Werk beim Copyright Office in Washington DC registriert sein, damit es seinen Zweck erfüllt. Genau das gleiche, nur halt in Deutschland, ist es mit dem ®, das für Registriert steht. Ein einfaches Hupidupi© oder Schalamützi® bringt nichts, wenn es nicht wirklich registriert ist. Man kann höchstens ein ™ anhängen, das für unregistrierte Marken steht. Also Hupidupi™. Aber auch wenn ich jetzt Hupidupi nicht Registriere, so kann es Markenschutz erlangen.


    Gesetz zum Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen


    §4 Entstehung des Markenschutzes
    Der Markenschutz entsteht
    [...]
    2.
    durch die Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr, soweit das Zeichen innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Marke Verkehrsgeltung erworben hat.
    [...]


    Wenn ich also Hupidupi als Markennnamen im Bereich der Telekomunikation benutzen würde und zwar als erster und es auch Bekanntheit erlangt, so dürfte niemand anderes im Bereich der Telekomunikation diesen Namen benutzen. Wenn einer den Namen allerdings für Waschmaschienen benutz, so kann ich nichts dagegen unternehmen. Ebenso kann ich auch nichts unternehmen, wenn jemand Hupidupi mit richtigen Namen heißt und sich als Alfred Hupidupi Mobilcom auf dem Telekomunikationssektor breit macht. Denn in dem Fall ist ja ein unterschied zwischen den beiden ersichtlich und außerdem hat er auch noch das Recht am eigenem Namen.
    Auch wenn der Markenname Hupidupi so gesehen vor der Benutzung dritter gesichert ist, kann dennoch der Name von einem anderem Registriert werden. Dagegen kann man nur durch einer Löschungsklage vorgehen.


    Zitat

    Original von Thomas Lieven:
    Für alle Aussagen gilt: Ich bin kein Jurist, nur interessierter Laie

    Dem kann ich mich anschließen.*g*

  • Zitat

    Original von Loc Fethyr
    Tropicali von der GF gelöscht: http://graphein.sethos.org/thread.php?threadid=535&sid


    Nachvollziehbar. Aber trotzdem Schade um Tropicali. Denn trotz des Gründers waren ja auch noch andere Menschen daran beteiligt.


    Nicht nachvollziehbar und Unsinn - Es ist völlig unverhältnismäßig so zu reagieren und viele Unbeteiligte zu treffen- aber was will man von diesem Kasperverein anderes erwarten.